Was steckt hinter der Elias Geschichte?

In Vorbereitung auf unsere Konzerte am 13.07 in Dusslingen und 14.07. in Tübingen haben wir uns mit der Geschichte des Elias beschäftigt. Karten gibt es im Vorverkauf unter: https://freiesinfonie.tickettoaster.de

Die Eliageschichten – theologisch betrachtet

von Markus Beile, Pfarrer in der Luthergemeinde Konstanz

Einen breiten Raum im Oratorium „Elias“ nimmt eine blutrünstige Geschichte ein, in der der Prophet Elia ein paar hundert Priester des Gottes Baal abschlachten lässt, und das im Namen Gottes, der von sich sagt: „Ich bin ein eifriger“, gemeint ist „ein eifernder Gott“. Wie kann man mit einer solchen Geschichte heutzutage umgehen?

Ich möchte versuchen, die Eliaüberlieferung ein wenig theologisch einzuordnen, um sie verstehen und bewerten zu können.


1) Ganz allgemein erst einmal: Die Geschichte Israels, die in der Bibel erzählt wird – und damit auch die Geschichte des Propheten Elia -, ist eine theologische Konstruktion, die in ihrer Endfassung wohl aus dem 4./5. vorchristlichen Jahrhundert stammt.

Die Schreiber der Bibel blicken auf die wechselvolle Geschichte des Volkes Israels zurück, die Höhen und Tiefen hatte und mit einem Kollaps vorläufig endete: Das verbliebene Südreich Israels (das Nordreich war schon im 8. vorchristlichen Jahrhundert untergegangen) wurde von den Babyloniern besiegt und die Oberschicht des Volkes Israel in die Stadt Babylon verbannt. Nach etwa 50 Jahren durften diese unter den Persern, die inzwischen die Macht übernommen hatten, in ihr Land zurückkehren. Dort begann der mühsame Wiederaufbau des Landes. Als Element der Vergangenheitsbewältigung und der Orientierung nach der politischen Katastrophe entstanden die großen Geschichtswerke, in denen sich auch die Erzählungen über den Propheten Elia befinden.


2) Diese Erzählungen über den Propheten Elia führen ins 9. Jahrhundert vor Christus, also in eine Zeit 500 Jahre vor der Abfassung der großen biblischen Geschichtswerke. Zur Zeit von Elia herrschte König Ahab, ein politisch erfolgreicher König, der, um seine Herrschaft abzusichern, mit den Nachbarn gute Beziehungen aufbaute.

Als Zeichen der Verbundenheit heiratete Ahab die Tochter des phönizischen Herrschers: Isebel. Machtpolitisch war das klug. Aber in den Augen der Geschichtsschreiber war das ein Frevel, weil Isebel, die neue Königin, ihre Götter, unter anderem den Gott Baal, nach Jerusalem mitbrachte. In Jerusalem werden nun neben dem Gott Israels auch andere Götter verehrt, für die Geschichtsschreiber ist das Gotteslästerung.

Sie deuten den Untergang Israels, der Jahrhunderte später erfolgt, als Folge dieses Frevels, den viele Könige Israels begangen haben, unter anderem eben König Ahab zur Zeit des Propheten Elia.


3) Auf diesem Hintergrund dieser theologischen Bewertung ist das Wirken Elias zu verstehen. Ob es ihn als historische Person gegeben hat, wissen wir nicht und ist auch gar nicht so wichtig. Er steht für die, die dem unsichtbaren Gott Israels treu bleiben, im Widerstand zum Königshaus, das auch anderen Göttern huldigt.

Die mythische Geschichte von dem Kampf Elias gegen die Baalspriester (es geht bei dieser Geschichte nicht um historische Fakten) erklärt sich von dieser Erzählabsicht her. Sie will herausstellen: Der Gott Israels ist nicht nur mächtiger als die anderen Götter, er ist der einzige, der auch wirklich real ist. Die anderen Götter aus der Umwelt Israels sind nur Fiktion.

Wir können die Erzählung als den Versuch eines Volkes auffassen, nach einer politischen Katastrophe neu Identität zu gewinnen. Identität durch Abgrenzung. Die Dürrezeit, in der die Erzählung spielt, spiegelt die Dürrezeit wieder, in der sich Israel zur Zeit der Geschichtsschreiber befindet und in der sie sich neu als Volk finden müssen.

4) Die biblischen Geschichtsschreiber wollten diese blutrünstige Geschichte, in der Elia hunderte von Baalspriestern abschlachten lässt, nun aber, und das ist das Interessante, nicht so, für sich, stehen lassen.

Deshalb erzählen sie die Geschichte anders weiter als man erwarten würde: Elia fühlt sich nach dem Sieg im Götterkampf nicht als großer Held, sondern wird an seiner Tat – und an seiner Gottesvorstellung – irre. Um neue Gewissheit zu bekommen, geht Elia zum Gottesberg Sinai – oder Horeb. Das ist der traditionelle Ort der Gottesoffenbarung. Und nun geschieht das Erstaunliche: Elia erfährt dort Gott tatsächlich, aber ganz anders als gedacht:

Nicht im Feuer und Erdbeben, wie es in der Moseüberlieferung heißt, denken Sie an den brennenden Dornbusch – und von dieser Vorstellung eines Gottes im Feuer ist Elia im Götterkampf ausgegangen – sondern Gott offenbart sich ihm in einem „sanften Sausen“. Die Geschichte der Gottesoffenbarung am Horeb ist damit eine deutliche Kritik an der vorausgehenden Götterkampfgeschichte und weist neue Wege im Verständnis des letztlich immer ungreifbar bleibenden Geheimnisses, das wir „Gott“ nennen und in menschliche Bilder kleiden.

Gerade die Geschichte Elias macht also deutlich: Biblische Überlieferung ist spannungsvoll und geschichtlich gewachsen. Sie ist eine theologische Deutung, die aus heutiger Sicht durchaus mit kritischem Blick wahrzunehmen ist, in der sich aber auch wertvolle Perlen finden. Ich wünsche Ihnen eine auch in diesem Sinne gelungene Aufführung.